Stärkung der Grundversorgung
„Entweder Neubau oder Aufhören“

Die Metzgerfamilie Kraus vor ihrer Ladentheke.Zoombild vorhanden

Foto: Metzgerei Kraus

(14. Oktober 2024) Wertach – Weitermachen oder das Fleischerbeil an den Nagel hängen? Immer mehr Metzger hierzulande stellen sich diese Frage – und immer mehr entscheiden sich fürs Aufhören. Auch Metzgermeister Stefan Kraus aus Wertach im Oberallgäu dachte ernsthaft darüber nach.

Doch letztlich entschied er sich dafür, die fast 100-jährige Familientradition weiterzuführen und an einem neuen Standort ein neues Kapitel zu schreiben.

Warum Metzgermeister Stefan Kraus die Familientradition fortführt

Rund 2800 Menschen leben in Wertach, wo 1929 der Viehhändler und Metzger Benedikt Kraus mit seiner Frau Bibiana eine Metzgerei eröffnete – der Beginn einer vier Generationen umspannenden Metzgertradition. Stefan Kraus, die vierte Generation, führt den Familienbetrieb seit 2016. Fünf Jahre später erließ die EU neue Auflagen zu Schlachträumen und Stefan Kraus stand vor der Herkulesaufgabe, sie umzusetzen.

Für einen notwendigen Umbau fehlte es an Platz: Der Standort in der Dr. Bach-Straße im Zentrum war zu beengt. „Außerdem hätten wir ein halbes Jahr zumachen müssen“, so Kraus. Ein halbes Jahr ohne Einnahmen – keine Option für den Metzgermeister. Wie er offen einräumt, sah er nur zwei Möglichkeiten: „Entweder Neubau oder Aufhören.“ Gegens Aufhören sprach, dass Stefan Kraus seinen Beruf liebt. Und dass er die fast 100-jährige Familientradition weiterführen wollte. Nur wo und wie? Die Suche nach einem neuen Standort gestaltete sich schwierig, hinzu kam die finanzielle Hürde.

Als Stefan Kraus und seine Frau Sabrina ein Grundstück im Wertacher Gewerbegebiet ins Auge fassten, gingen sie auf die Gemeinde zu. „Und die hat sich dafür eingesetzt, dass wir dort bauen dürfen“, erzählt Kraus. Blieb die finanzielle Belastung eines Neubaus, doch der Steuerberater der Familie machte sie auf eine Fördermöglichkeit aufmerksam: Das Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben unterstützt im Rahmen der Dorferneuerung Kleinstunternehmer, die die Grund- und Nahversorgung in Dörfern gewährleisten.
„Es gibt leider immer weniger familiengeführte Metzgereien. Noch dazu schlachten viele nicht mehr selbst“, bedauert Manuel Weigele vom Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben. Gemeinsam mit der Gemeinde habe man eine Lösung gefunden, um die Familie Kraus unterstützen zu können, denn so Weigele: „Es wäre wahnsinnig schade gewesen, wenn die Wertacher keinen Metzger mehr gehabt hätten.“

„Unkompliziert“ nennt Stefan Kraus die Zusammenarbeit mit dem Amt, dessen finanzielle Unterstützung ihm die Sicherheit gab, einen Neubau finanziell stemmen zu können. Im Sommer 2022 eröffnete die Metzgerei Kraus am neuen Standort in der Industriestraße, wo Stefan Kraus weiter selbst schlachtet und auch selbst erlegtes Wild verarbeitet, denn der Metzgermeister ist auch Jäger. „Die Produktionskapazität ist jetzt deutlich höher“, so Kraus. Und dank moderner Kühltechnik und eigener Photovoltaikanlage deutlich energieeffizienter und autarker. Die Kunden wiederum profitieren von dem neuen, ebenerdigen Laden, der fast viermal so groß ist wie der alte im Ortszentrum.

„Bis da naus fahra?“, habe er vor der Neueröffnung von manchen älteren Damen im Ort zu hören bekommen, erinnert sich Stefan Kraus. „Aber dann“, erzählt er mit einem Lachen, „sind die Damen am ersten Tag gleich dreimal rausgeradelt.“ Denn dank dem Neubau der Familie Kraus gibt es in Wertach auch weiterhin etwas, was nach wie vor vielen wichtig ist: einen Metzger, den man kennt und dem man vertraut.
Blick in das Ladengeschäft der Metzgerei Kraus.

Foto: Metzgerei Kraus

Ein altes Schwarzweißfoto, das Bibiana Kraus in der 1929 eröffneten Metzgerei zeigt.

Foto: Metzgerei Kraus

Geschlachtetes und zerlegtes Fleisch, das an einem Fleischerhaken hängt.

Foto: Metzgerei Kraus